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Dienstag, 9. Oktober 2018

Let's get bored

Houston, wir haben ein Problem.
Und zu allem Übel ist es noch nichtmal ein Neues. Es heißt schlicht: Langeweile.

Es ist wirklich eine Leistung, und diesmal mal nicht meine, Mitarbeiter im Verlauf von 20 Jahren derartig zu zermürben, dass man seine vorhandene Intelligenz und Hingabe an einen Job auf ein Minimum herunterschraubt.
Natürlich hätte ich gehen können, allein, den Zeitpunkt habe ich irgendwie verpasst, wohl irgendwie gehofft, es wird besser.
Aber das wurde es natürlich langfristig eben nicht. Dabei würde die Umschreibung des Arbeitsfeldes manch einen in Jubel ausbrechen lassen:
 - Chef ist so gut wie nie da, weiß auch gar nicht, was genau die einzelnen Mitarbeiter so tun
 - dem Chef ist es auch egal, wie lange wer Pause macht, wann wer kommt und ob man evtl. bereits eine Stunde vor Feierabend fertig angezogen im Pausenraum sitzt (sollte er das mitbekommen, sagt er nur freundlich "dann gehen Sie doch schon mal")

Allerdings ist es auch egal, ob man etwas kann. Gehört man nicht zum erlesenen Kreis der Speichellecker, kann man auf eigene Kosten was dazu gelernt haben, es interessiert nicht. Wird ein eigentlich passender Posten frei, wird man garantiert übergangen, wenn die "netten" engen Kollegen ihn passend beeinflussen...Denn er glaubt seinem Vorzimmer jedes Wort, nein das ist falsch...eigentlich glaubt er jedem, der ihm eine Story zuerst erzählt alles. Versuchst du als Zweiter die Story zu relativieren, hast du eh schon verloren. Nr. 1 hat immer Recht.

Wenn seine rechte Hand (die fürs Grobe und die unangenehmen Dinge) ihre Bekannten für Stellen vorschlägt, werden plötzlich auch mal höhere Stundenlöhne für ungelernte Kräfte gezahlt. Die eigenen Kinder, die gerne in den Ferien eingeteilt werden, bekommen natürlich mehr als den Mindestlohn. Es werden auch gerne 40 Stunden Kräfte für Jobs eingestellt, die nur 20 oder 30 Stunden Arbeit verrichten müssen. Da wird an nichts gespart.
Da es keinen Haustarifvertrag gibt, ist der eigene Lohn immer Verhandlungssache. Und da gibt es wenig Spielraum. Wer nicht mehr leistet (und irgendwann ist diese Argumentationsspirale auch ausgelutscht), bekommmt auch nach 20 Jahren nicht mehr. Lohnerhöhungen automatisch? Gibt es nicht. Erhöhungen auf Nachfrage evtl. alle 5 oder 10 Jahre....das macht dann innerhalb von 20 Jahren evtl. 200 Euro brutto aus. Die nächste Mieterhöhung/Strompreiserhöhung etc. machen das so schnell wieder wett, dass natürlich nur noch ein Zweitjob in Frage kommt.

Und dann wird man irgendwann müde des Ganzen.
Tausend Verbesserungsgedanken blieben auf der Strecke. Dinge, die dem Betrieb sogar Geld gespart hätten, dafür aber jedem eine gleichbleibende Arbeit beschert hätten und nicht Tage voller Langeweile.
Mein Kollege hatte vor mir auch eine Vollzeitkollegin. Die ging dann in Rente und ich bewarb mich intern auf den Job. Streng genommen brauchen wir keine 2 40h Kräfte hier. Eine Voll- und eine TZ Kraft wären völlig ausreichend. Mittlerweile bin ich froh, wenn mein Kollege Urlaub hat, damit ich mehr zu tun habe. Und mein Kollege hat (warum auch immer) mittlerweile unfassbare 41 Tage Urlaub (neue Kollegen haben 24 Tage und dabei bleibt es).
Montags ist es besonders schlimm für mich. Dann ist mein Freund auf Montage gefahren, ich hasse Montage (jetzt mein ich den Wochentag, hach schwieriges Wortspiel), ich hasse langeweile und ich hasse das Gefühl meine Arbeitsfreude vergeudet zu haben und nichts ändern zu können.
Ich fühle mich mittlerweile manchmal so leer, dass ich verstehen kann, wie sich ein Mensch mit Depressionen fühlt.......Es ist grauenvoll.
Morgen ist es wenigstens 3/4 des Tages anders. Da ist was zu tun. Wenn auch nur für ein paar Stunden.....Und dabei hatte ich neulich erst 3 Tage Urlaub....

Ich habe Montagsblues....
Und nachher noch einen Job, in dem ich dann 2 Stunden wirklich arbeiten werde....

Meine Güte Deutschland, ihr möchtegern Yuppie-Chefs, ihr nicht-über-den-Tellerrand-seher, ich weiß von vielen Leuten, dass sie in ihren Betrieben nicht gefordert und nicht gefördert werden. Was könnte man nicht alles leisten, wenn man es nur wollen würde.......Das stinkt mir am meisten, das Ressourcen gar nicht genutzt werden sollen.......

3 Kommentare:

  1. So eine kleine Stimme sagt mir, dass ich gerne mal mit dir tauschen möchte, denn ich hetze von Termin zu Termin und stelle es mir ganz gemütlich vor, was du da schilderst. Aber Arbeitslosigkeit tut nie gut, auch, wenn sie direkt im Büro stattfindet.

    Und dann dieser Frust, jahrelang keinen Aufstieg zu schaffen, nicht mal die kleinste Gehaltserhöhung und dann sieht man dabei zu, wie sich andere die Taschen vollpacken... Naja, es gibt dafür schon ein neues Krankheitsbild: Die Verbitterungsstörung.

    Nun frag ich dich: was ist daran die Störung? Ist es nicht vielmehr eine vollkommen adäquate Reaktion auf das, was einem passiert ist?

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    1. Ich kannte das Bored Out, aber die Verbitterungsstörung musste ich auch erst googeln. Gottseidank ist das Gefühl nicht immer da, es war vor Jahren weitaus schlimmer. Vergessen habe ich allerdings in meinem Post den Satz, der mich wirklich bis ins Mark getroffen hat: Als mein Chef irgendwann mal zu völlig unpassender Stelle zu mir sagte:
      "Seien Sie froh, dass Sie hier überhaupt noch arbeiten!" und dabei grinste er mich fröhlich und wirklich ohne jedwede Bösartigkeit an, weil er es genau so meinte. Und in tatsächlichem selben Moment fielen mir all die wirklich faulen Kollegen ein, die nur Dienst nach Vorschrift und gerne darunter machen und ich fand und finde diesen angeblich gar nicht erstgemeinten Spruch mehr als gemein. Ich habe immer Intersse gezeigt, nie über den Betrieb in der Öffentlichkeit hergezogen (jedenfalls nicht namentlich wie andere), habe etwas einbringen wollen und muss mir dann sagen lassen, das ich mich glücklich schätzen kann...ja, da hatte ich garantiert eine Verbitterung in mir...

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  2. Wow, Annika, jetzt hab ich mich mal eingelesen in die "posttraumatische Verbitterungsstörung". Hatte ich zuvor noch nicht gehört. Aber es ist schon logisch, dass auch z.B. Ungerechtigkeiten und Kränkungen ein Trauma auslösen können.
    Ich werd sowas ja eher mit Sarkasmus oder Zynismus wieder los.

    Was leere Arbeitstage angeht, die kenn ich hier auch ab und an, wenn wir Wartungswochen haben und die Produktion steht. Es ist furchtbar anstrengend, den ganzen Tag beschäftigt zu tun (hier kommen ständig Leute durch) und jede kleine Aufgabe so langsam wie möglich erledigen zu müssen. Abends ist man wie gerädert, obwohl man kaum was gemacht hat. Jede Minute dehnt sich ins Unendliche. Dazu ständig das Gefühl sinnlos vertaner (Lebens)Zeit. Hedi, ich fühle mit dir.

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