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Montag, 8. Oktober 2018

Vermisst oder mit Freude vergessen?

Ich glaube hoffe ja, dass es im WWW noch mehr solcher Exemplare wie mich gibt.
Die Sendungen sehen, die eigentlich so gar nicht zu passen scheinen. Ich oute mich demzufolge mal als glühende Seherin der Sendungen Vermisst und Bitte melde dich.
Nicht gesehen, und das möchte ich in diesem Zusammenhang dringend betonen! - Verzeih mir. Obwohl ich tief in mir drin immer die Angst hatte, das meine Mutter sich bei dem Sender meldet um mich in die Öffentlichkeit zu zerren: Sie die alte, einsame Frau und da die bösartige Tochter, die einfach den Kontakt abgebrochen hat. Aber irgendwie passt das ja auch nicht ganz zum Titel, denn der setzt ja voraus, dass sie sich bei mir entschuldigen müsste (wozu sie auch allen Grund hätte...) und damit endete meine Panik. Denn ich wüsste nicht, dass sie sich jemals bei irgendjemandem in ihrem Leben entschuldigt hätte.

Was mich beim schauen dieser Sendungen so erschüttert, bin ich tatsächlich selbst. Denn ich kann mir gar nicht erklären, warum ich diese Formate so gerne schaue. Mich berührt tatsächlich die Freude, die manche empfinden, wenn sie nach 30/40/50 Jahren Verwandte treffen, ihre Mütter kennenlernen oder Geschwister, die sie gar nicht zu haben glaubten. Und doch ist mir persönlich diese Freude völlig fremd.
Wie viel Hoffnung haben die Protagonisten in ihre unbekannten Verwandten gelegt? Und dann steht eine zahnlose südosteuropäische Verwandte vor ihnen...ist es wirklich das, was man sich erhofft hat? Ist es wirklich egal? Der Mensch, wie auch immer er aussieht ist de facto eine wildfremde Person, Mama, Schwester oder Tante hin oder her. Ich habe zwar selbst schon feuchte Augen bei den manchmal wirklich rührend anzusehenden Wiedersehen gehabt aber es bleibt mir persönlich trotz allem immer fremd. Nur weil man einen Genpool hat, ist doch lebenslange Liebe und Zuneigung nicht damit verbunden. Ich verstehe diesen Zwiespalt in mir selbst gar nicht...
Der eine hat händeringend jahre(jahrzehnte)lang gesucht und der andere nicht...was ja irgendwie auch enttäuschend sein muss, oder?
Ich kenne meine Familie (zum Teil leider...) und habe meinen Bruder seit bestimmt 10 Jahren nicht gesehen und so Ehefrau Nr. 2 und 3 verpasst. Wir hatten nie Streit, es gibt eigentlich keinen Grund für die Entfremdung aber es ist wie es ist. Er hat kein Interesse an mir und so habe ich damit auch abgeschlossen.

Neulich ist mein Vater gestorben. Der einzige zu dem ich tatsächlich noch Kontakt hatte. Erfahren habe ich es durch eine Kollegin. Meine Mutter, die meine Telefon Nr. nicht mehr hat, rief bei mir auf der Arbeit an und statt um Rückruf zu bitten, hat sie meine Kollegin mir ausrichten lassen, dass mein Vater gestorben ist.

Wieder eine Woche später erhielt ich über Messenger eine Nachricht meiner Nichte, dass es schade gewesen sei, dass ich nicht zur Beerdigung war. Nur dass ich davon nichts wusste und die angeblichen Nachrichten meines Bruders als SMS im Nirvana verhallt sind...Hätte man mich über Messenger anschrieben, hätte ich es wenigstens gewußt. Wenn ich auch nicht hingefahren wäre. Die Wahl hatte ich nun eh nicht. Aber ich habe in mich hingehorcht....und da war nichts. Nicht, dass ich nicht traurig wäre, irgendwie. Aber übrig geblieben wären am Grab nur heuchelnde Verwandte und meine Mutter....und das wäre es mir, so böse das sicher auch geschrieben klingt, nicht wert gewesen. Vorwürfe, die Kinder fürs eigene Elend verantwortlichen machen etc...das muss ich mir nicht mehr geben.
Meine Eltern waren die letzten 20 Jahre ein einziges Mahnmal für mich. Du kannst alles sein nur werde nicht so wie sie. Lebe niemals so wie sie.
Eine Kollegin meinte (die das ja leider alles mitbekommen haben, was mir sehr unangenehm ist), ich müsse zur Beerdigung fahren, das würde mir ewig nachhängen. Das Gefühl habe ich nicht. Ich kann mich sehr gut erinnern, dass mein Vater gar keine herkömmliche Beerdigung wollte. Nun hat er eine bekommen. Mit allem Tamtam anscheinend.

Machs gut Papa, wir haben uns auch ewig nicht gesehen aber deswegen vergesse ich dich sicher nicht!

4 Kommentare:

  1. Liebe Hedi, zuerst möchte ich sagen, dass es mir für Dich sehr leidtut mit Deinem Papa. Zwar kann ich nur erahnen, wie der Kontakt gewesen war, aber es war eben.. der Papa.

    Zu den Sendungen: Ich persönlich schaue sie zwar nicht, kenne sie aber natürlich aus Werbeausschnitten. Ich denke, wenn man jemandem gegenübertritt, nach dem man mitunter sehr, sehr lange (und bislang ergebnislos) gesucht hat, dann fällt in diesem Moment vermutlich eher eine Art der Belastung von einem ab: Das fehlende Puzzle-Stück ist gefunden, in das persönliche Bild gesetzt - und damit vollendet.
    Insofern könnte ich mir vorstellen, dass die Tränen etwas ganz anderes ausdrücken als "Sehensfreude" und so - denn das sehe ich wie Du: Es steht einem ein Mensch gegenüber, zu dem man gar keinen Bezug haben kann, weil man ihn entweder nie oder nur in einem Alter sah, an das man sich kaum noch erinnern kann.

    Mein Vater selbst hatte mal mit dem Gedanken gespielt, diese Sendung (kurz nach der Wende bzw. dem Aufkommen von "Bitte melde dich") anzuschreiben, um etwas über seinen richtigen Vater zu erfahren. Was wir über ihn wissen, ist zu wenig, wir wissen nur den Namen und das Herkunftsland; alles andere haben meine Oma und deren Schwester mit in ihr Grab genommen.
    Der Papa entschied sich letztlich dagegen mit der Begründung, dass es damals eben Kriegszeit war, wir der Feind waren und man nicht sagen kann, ob man "heute" damit das Leben anderer zu sehr durcheinander wühlen würde.
    Ich fand das damals sehr schade, dass er aufgab, insbesondere seit ich weiß, dass sein Papa nach Kriegsende nach meiner Oma suchte und nochmal bei ihr zu Hause war.
    Aber ich verstehe zum einen diese Bedenken und auch zum anderen, dass es Dinge gibt, die man nicht in den TV und vor Millionen Zuschauer zerrt. Dass das Menschen tun, verurteile ich gar nicht. Jeder macht, was er für richtig hält und wenn er sich damit gut fühlt, dann ist es so.

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  2. Du glaubst gar nicht, wie verwundert ich über mich bin, weil ich diesen Scheiß auch immer so gerne sehe. Jetzt kann ich es ja zugeben; es gibt noch eine von dieser Sorte, Gottseidank.
    Und ich schluchze immer wie doll und verrückt, wenn sie sich endlich in den Armen liegen und die meisten sind ja nicht zahnlos. Nur in Ausnahmefällen stockt mir der Atem und die/der Suchende tut mir leid, bei dem was gefunden wurde.

    Mein Beileid zum Tod von deinem Vater. Erstaunlich, was in Familien so passiert,und noch erstaunlicher, dass du es mit solch einer Ruhe wegsteckst. Bei mir ist auch nicht alles Gold und wahrscheinlich wird mein Vater ohne seine drei Töchter in irgendeiner Aussegnungshalle liegen. Im Gegensatz zu dir werde ich das nicht mit Ruhe und Gelassenheit wegstecken.

    Schön, dass du wieder schreibst.

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  3. Ja, schön dass du wieder schreibst. :)

    Tut mir leid mit deinem Papa. Vielleicht, war nicht dort gewesen zu sein, genau das richtige für dich, auch wenn du diese Entscheidung nicht hattest. So ist dir aber auch abgenommen worden, dich dagegen entscheiden zu müssen/wollen, was dein Gewissen belastet hätte.
    Erinnern findet ja überall statt, nicht nur an Gräbern.

    Und ja, ich schaue auch. Nicht regelmäßig und mit Präferenz auf Julia L., aber auch ich sitze in Tränen aufgelöst vorm Bildschirm und wundere mich über mich selbst. Ich denke mir dann immer, das sind angestaute Tränen über ganz andere Dinge, die sich mit dem Glück und Leid von anderen lösen.

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  4. Meine Lieben, ich habe mich sehr gefreut zu sehen, dass ich nicht die Einzige bin, die so etwas schaut. Wenn mir auch immer noch nicht klar ist, warum ich das so gerne tue.....
    Und vielen Dank auch für eure Worte. Ich bin mir manchmal selbst fremd, was meine Gefühle oder wie ich sie auslebe oder eben auch nicht, betrifft. Ich habe mich, glaube ich- über die Jahre selbst abgehärtet und neige dazu rein praktisch über Dinge nachzudenken, ohne jegliches Gefühl. Wenn ihr wüsstet über was ich nicht schon alles theoretisch nachgedacht habe....es würde euch grauen vor mir....mir manchmal auch....

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